Viel Geld, wenig Ahnung. Finanzielles Wohlergehen top – Finanzbildung flop: Trotz der anhaltenden wirtschaftlichen Belastung durch Corona geht es den Deutschen finanziell gut. Sehr gut sogar: Im europäischen Vergleich der Privathaushalte stehen wir an der Spitze. Verwunderlich eigentlich, da sich auch zeigt, dass deutsche Bundesbürger kaum finanzielle Bildung besitzen.
Rechnung bezahlen? Check!
Trotz der anhaltenden Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Aktivität in Deutschland und einem erneutes harten Lockdown erhält das Land die Spitzenposition im diesjährigen Barometer des European Consumer Payment Report 2020.
Corona hat viele kleine Unternehmen und Selbstständige in die Knie gezwungen, doch die Konjunkturmaßnahmen und der Kündigungsschutz der Regierung scheinen die Einkommen der Haushalte zu stützen.
Die Zeiten der Hamsterkäufe in Form von Nudeln und Klopapier sind vorbei und der erste Schrecken ist überstanden: Den Menschen in Deutschland geht es finanziell weitestgehend gut und sie sind in der Lage weiterhin ihre Rechnungen pünktlich zu bezahlen.
Deutsche sparen mehr – trotz Krise
In der Coronakrise hat sich sogar gezeigt, dass Deutsche noch mehr sparen als schon zuvor. Der Bericht schreibt: „Darüber hinaus sind die deutschen Verbraucher für ihre pragmatische Ausgabenpolitik und ihren Fokus auf das Sparen bekannt.“
Sparbuch, Bausparvertrag und Girokonto sind noch immer die beliebteste „Geldanlage“ der Deutschen. Dass ein Girokonto keine Geldanlage ist, müssen wir hier wohl nicht diskutieren. Und auch die anderen beiden Punkte sind mehr als streitwürdig. Weiß doch mittlerweile jede:r, dass es darauf kaum noch Zinsen gibt.
Im Sparen sind wir Weltmeister, bloß nicht im Investieren. Kein Wunder also, dass Sparer hierzulande allein 2019 insgesamt 40 Milliarden Euro verloren haben. Einfach nur, weil sie ihr Geld auf dem Sparbuch liegen gelassen haben, anstatt das Geld anzulegen, um zumindest den Werterhalt zu sichern.
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Viel Geld, wenig Ahnung
Was nämlich nahezu skurril wirkt an dem Bericht: Obwohl es uns finanziell so gut geht, wir unsere Rechnungen pünktlich bezahlen können und zudem sparen wie nie zuvor, haben wir kaum finanzielles Grundwissen.
Laut dem Bericht belegt Deutschland in puncto Finanzkompetenz gerade einmal Platz 16 von 24 europäischen Ländern. Das ist eigentlich gar keine Neuigkeit, da Ergebnisse der OECD sehr ähnlich ausfallen. Und zwar regelmäßig.
Dabei fehlen die grundlegendsten Kenntnisse in Bezug auf Zinsen, Inflation und der Auswirkung auf das Ersparte. Schlecht sieht’s auch aus, wenn Deutsche sagen sollen, wie sie ihr Risiko bei Aktienkäufen senken können. Somit gelten Aktienkäufe für die meisten hier noch immer als „Spekulationsobjekt“, anstatt dem, was sie wirklich sind:
Aktuell die einzige Möglichkeit, den Ruhestand abzusichern und sich auch als Normalverdiener:in ein kleines Vermögen aufzubauen.
Die Studie „Aktion pro Aktie“ zeigt: Wer sein Geld nicht in Aktien investiert und sich nicht auskennt, hält Aktien für Spekulation und hat Angst, das gesamte Geld zu verlieren. Menschen, die bereits investieren, sehen Aktien hingegen als lukrative Möglichkeit vorzusorgen.
So weit gehen Vorstellung und Realität auseinander. Hier ist also noch viel zu tun.
In Österreich hat man diese Schwachstelle bereits erkannt: Ab 2023/2024 soll Finanzbildung an den Schulen mehr Gewicht bekommen. Ein Thema, das definitiv auch auf den deutschen Lehrplan gehört. Schließlich ist Geld Teil unseres Alltags und unseres Lebens.
Wer sich dem Thema weiterhin verschließt, lässt sich nicht nur die Chance auf ein komfortables Leben entgehen, sondern riskiert auch noch in die weit verbreitete Altersarmutsfalle zu geraten.