Während es in den letzten Wochen online ruhig war um Fortunalista, ist offline einiges passiert: Ich habe Workshops gegeben, an großen Konferenzen teilgenommen, war bei Panels als Gast und als Speakerin geladen und außerdem lief der erste Fortunalista Finanzkurs für Frauen. In dieser ganzen Zeit habe ich nicht nur mein eigenes Wissen weitergegeben, sondern in vielen interessanten und wertvollen Gesprächen auch viel Neues gelernt.
Ich habe mit Frauen gesprochen, die erfolgreiche Angestellte sind und es meistern, Beruf und Karriere unter einen Hut zu bringen, mit Frauen, die schon früh ihr eigenes Unternehmen gegründet haben, oder durch harte Arbeit sehr früh Geschäftsführerin wurden. Frauen, die mit innovativen Ideen und viel Mut einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leisten und sie zum Positiven verändern wollen, und solchen, die sich dafür engagieren, dass es anderen Frauen im beruflichen oder privaten Umfeld besser geht.
Bei all diesen Gesprächen standen mir Frauen gegenüber, die mir mit ihrem Mut, ihrem Geschäftssinn oder ihrem Engagement extrem imponiert haben. Vor allem, weil sie anscheinend, laut einer aktuellen Studie des Bundesfamilienministeriums die Ausnahme bilden.
Mitten im Leben?
In der Studie „Mitten im Leben“ wurde die finanzielle Situation der in Deutschland lebenden Frauen zwischen 30 und 50 Jahren untersucht. Darin heißt es: „Gerade im Alter zwischen 30 und 50 Jahren werden viele Frauen zunehmend vom Einkommen ihres Partners oder staatlichen Transferleistungen ökonomisch abhängig, können trotz beruflicher Qualifikation und hoher Motivation ihren Lebensunterhalt nicht erwirtschaften.“
Wir leben aktuell in einem Zeitalter, in dem wir Frauen, die Früchte derjenigen genießen dürfen, die vor Jahrzehnten auf die Straße gegangen sind und für Gleichberechtigung, gleiche Entlohnung und Selbstbestimmung gekämpft haben. Auch wenn wir heute noch immer gegen den Gender Pay Gap und für mehr Frauen in Führungspositionen kämpfen müssen, befinden wir uns im Vergleich zu den vorherigen Generationen in einer sehr komfortablen Situation: Wir dürfen jeden Job ergreifen, den wir wollen und brauchen dafür nicht mehr die Erlaubnis des Ehemannes.
Frauen und ihre Finanzlage
So selbstverständlich, wie das klingt, war es die meiste Zeit nämlich nicht: Bis 1977 musste der Mann erlauben, dass seine Frau arbeiten gehen darf. Wer heute zwischen 30 und 50 Jahren alt ist und Vollzeit arbeitet, zählt trotzdem zu der Minderheit. Denn nur 39 Prozent der Frauen in dieser Altersklasse gehen Vollzeit arbeiten.
Das hat natürlich auch Folgen auf das Einkommen: Nur 10 Prozent der Frauen zwischen 30 und 50 Jahren haben ein eigenes Nettoeinkommen über 2.000 Euro. Wer in einer Stadt wie München lebt und eine teure Miete hat, für den bleibt nicht mehr viel zum Leben, geschweige denn zum Sparen und Anlegen übrig. Im Vergleich: Bei den Männern sind es 42 Prozent, die sich über ein Nettoeinkommen von mindestens 2.000 Euro freuen dürfen.
Wir dürfen dabei nicht vergessen: Wer beispielsweise wie ich Mitte 30 ist, hat noch rund 30 Erwerbsjahre vor sich und anschließend nochmal um die 12 Jahre in denen frau von der Rente und der privaten Altersvorsorge leben muss – sofern es diese gibt. Es ist also wichtig schon frühzeitig, die Weichen dafür zu stellen.
Ehefrauen und ihre Finanzlage
Noch schlimmer zeichnet sich aber das Bild der Ehefrauen: „Von den verheirateten Frauen dieser Altersphase haben 19 % kein eigenes Einkommen und insgesamt 63 % unter 1.000 Euro.“ Das heißt, jede fünfte Ehefrau verlässt sich voll und ganz auf das Einkommen des Mannes und hat überhaupt kein eigenes Geld! In welche Situation sie sich damit begeben, steht ebenfalls in der Studie:
„Die Ehe wird für viele Frauen aufgrund bestehender Anreizstrukturen in ihren Folgen und Risiken abhängigkeitsfördernd und kann sich existenzbedrohend auswirken auch für die Familie im Fall von Berufsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit des Hauptverdieners.“
Kurz zur Erinnerung, wer es vielleicht vergessen hat: Wir befinden uns im Jahre 2019. Zweitausendneunzehn! 100 Jahre nach dem Frauenwahlrecht, setzen wir also im privaten Umfeld unser Häkchen ganz klar beim Punkt „Abhängigkeit“.
Altersarmut ist real
Während also wir Frauen auf die Straße gehen und momentan lauthals schreien, dass wir den gleichen Lohn für unsere Arbeit bekommen möchten wie Männer, bleiben wir gleichzeitig lieber Zuhause und verlassen uns darauf, dass unsere heile Welt nicht zusammenbricht. Dabei sagen sogar mehr als die Hälfte dieser Frauen, sie wissen, dass sie später nicht von ihrer eigenen Rente werden leben können, sondern von der Rente ihres Partners existenziell abhängig sein werden – oder im Fall von Scheidung oder frühem Tod ihres Partners relativ arm.
Die Zahlen sind traurig, aber man muss sie kennen: Jede dritte Ehe wird heutzutage geschieden (in Großstädten jede zweite) und jeder fünfte Mann stirbt vor seinem Renteneintrittsalter. Natürlich ist das alles schlimm, aber eine „Das-passiert-mir-schon-nicht“-Einstellung ist hier fatal.
Altersarmut ist real und sie trifft alle Frauen durch alle Gesellschaftsschichten. Warum das so ist, habe ich bereits in einem älteren Artikel beschrieben: Altersarmut – Bist du gefährdet?
Ein eigener Job für die Alterssicherung – oder doch nicht?
Damit wir auch im Alter unabhängig sein können, brauchen wir ein eigenes Einkommen, eine eigene Altersabsicherung (ob privat oder gesetzlich, oder beides) und idealerweise auch eigenes Vermögen. Das sehen auch immerhin 68 Prozent der Frauen unter 30 Jahren so und messen ihrem eigenen Job eine entsprechend hohe Bedeutung zu. Haben sie die magische Schwelle von 30 Jahren überschritten – ein Alter, in dem die Karriere für gewöhnlich erst richtig in Fahrt kommt – wandelt sich diese Sicht plötzlich. Dann steht die eigene Familie im Vordergrund und das Thema Altersvorsorge scheint vergessen. Die Männer haben diesen wichtigen Punkt auch weiterhin auf der Agenda und sorgen für ihr Alter vor.
Erst ab etwas 50 Jahren fällt den Frauen dann plötzlich wieder ein, dass es auch noch eine Lebenszeit danach gibt, für die sie vorsorgen müssen. Nämlich dann, wenn die meisten Ehen geschieden werden und die Frauen ohne eigenes und eine eigene Erwerbsbiografie dastehen. Dann ist es aber umso schwerer eine Altersvorsorge aufzubauen, mit der man den eigenen Lebensstil halten kann.
Was können wir Frauen tun?
Die finanzielle Situation ist für uns Frauen tatsächlich bedrohend. Alle Informationen aus diesem Artikel sind der Studie „Mitten im Leben“ des Bundesfamilienministeriums entnommen. Die Studie wurde also nicht von einer Versicherung in Auftrag gegeben, die am Ende nur ihre eigenen Produkte schmackhaft machen möchte – hier geht es um die reale finanzielle Existenz und Abhängigkeit der Frauen in Deutschland.
In der Regel bleiben Frauen Zuhause, weil der Mann sowieso mehr verdient und durch das Ehegattensplitting sich ein Berufsausübung der Frauen finanziell für beide nicht lohnt. Die Politik ist hier also gefordert für gleiche Löhne zu sorgen und auch für die typischen Frauenberufe, die meist im sozialen Umfeld liegen, eine bessere Vergütung zu erzielen.
Bis das passiert, wird aber viel Zeit vergehen. Heute kann aber jede Frau schon dafür sorgen, dass sie ihr eigenes Geld verdient, durch geschicktes Verhandeln ein gutes Gehalt erzielt und auch lernt, wie man das eigene Geld für später anlegt. Und falls es finanziell und organisatorisch eben doch nicht möglich ist, muss jede Frau ihren eigenen Mann in die Pflicht nehmen, dass er für sie in eine eigene Altersvorsorge einzahlt. Denn auch Kinder und Haushalt sind Arbeit – aber eben, unbezahlte Arbeit.