Antizyklisches Investieren

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Antizyklisches Investieren klingt zunächst einfach: Kaufen, wenn die Masse der Anlegerinnen verkauft und verkaufen, wenn die Masse der Anlegerinnen kauft. Erfahre, was du dabei jedoch stets beachten musst.

Geeignete Kauf- und Verkaufszeitpunkte lassen sich langfristig durch Bewertungsindikatoren wie Aktienkennzahlen (Warren Buffett lässt grüßen) sowie Konjunkturindikatoren und kurzfristig durch Stimmungs- und Trendindikatoren ausmachen. Wenn man sich strikt an diese Indikatoren hält, müsste der Anlageerfolg eigentlich vorprogrammiert sein. Eigentlich: Wir Menschen sind aber keine Maschinen, sondern höchst emotionale Wesen. Und daher gelingt die strikte Strategie des antizyklischen Investierens auch nur wenigen.

Zyklisches Investieren: Teuer kaufen, billig verkaufen

Auf Tag folgt Nacht, auf Sonnenschein folgt irgendwann der Regen. Genauso ist es mit der Börse. Auf eine Periode der Kursanstiege – oder auch Hausse genannt – folgt irgendwann eine Periode der Kursverluste, der sogenannten Baisse. Das Grundprinzip des Investierens lautet, billig zu kaufen und teuer zu verkaufen. Warum machen es so viele Anlegerinnen genau umgekehrt? Der Hauptgrund ist: „Performance hinterherlaufen“. Das Problem vieler ist also, dass sie sich wie in einer Herde verhalten: Sie kaufen, wenn andere kaufen und verkaufen ebenfalls mit der Masse. Das Problem an dieser Anlagestrategie Ein festgelegter Plan, nach dem eine Anlegerin ihre Investitionen tätigt. Die Anlagestrategie entspricht den persönlichen Präferenzen und kann sich im Laufe des Lebens verändern. ist die menschliche Psyche.

Unterstellen wir bspw. einmal eine längere Baisse. Die Kurse sind seit zwei Jahren auf Talfahrt und die Stimmung an den Aktienmärkten entsprechend schlecht. Schleichend beginnt jetzt wieder ein langsamer Kursanstieg, der Haken ist allerdings, dass viele Anlegerinnen dem Braten noch nicht trauen. Sie zögern und wollen zunächst abwarten. Die Kurse steigen jedoch weiter und erste Anleger steigen nach und nach zaghaft ein. Plötzlich merken es alle: Es geht weiter aufwärts mit den Kursen und der Herdentrieb setzt wieder ein.

Der Haken ist allerdings, dass die Kurse schon deutlich die einst niedrigen und guten Einstiegskurse überschritten haben. Trotzdem blicken die meisten auf den vergangenen Kursanstieg und hoffen auf mindestens ebenso gute Entwicklungen in der Zukunft. Doch die Entwicklung in der Vergangenheit sagt nichts über die Zukunft! Bleiben wir beim Beispiel: Die Kurse steigen und alle kaufen– so lange, bis es zu einem Kursrutsch kommt. Und jetzt geschieht das genaue Gegenteil der gelernten Theorie. Die Herde denkt, dass der Kursverfall nur temporär ist und wartet. Und während die Kurse weiter fallen, sagt man sich, dass es doch bald wieder aufwärts geht. Das Ergebnis: Viele Kleinanlegerinnen Personen, die nur geringe oder kleine Summen an der Börse investieren. Kleinanleger haben meist eine maximale Investitionssumme von 10.000 Euro zur Verfügung. verlieren die Nerven und verkaufen. Leider mit Verlust.

Bedauerlicherweise ist der typische Investor, der teuer kauft und billig verkauft, jemand, der eine langfristige Anlagestrategie hat, aber nicht die Nerven und die Geduld, bei der gewählten Strategie zu bleiben. Je nach Situation wirft er oder sie seine Strategie über den Haufen, wenn etwas kurz auf dem Markt aufblitzt, und investiert taktisch statt strategisch. Welche Anlagestrategien es gibt, erfährst du im Artikel Die 5 bekanntesten Aktienstrategien.

Antizyklisches Investieren: der Herde voraus

Eine antizyklische Anlagenstrategie operiert umgekehrt: Sie kauft, wenn die Kurse am Boden liegen und streicht bei steigenden Kursen Gewinne ein. Das klingt auf den ersten Blick recht simpel, weil das doch die Anlagenstrategie eines jeden Investors sein sollte. Das Problem dabei liegt aber auf der Hand: Niemand kann in die Zukunft schauen und niemand weiß, wann der perfekte Zeitpunkt zum Ein- und Aussteigen ist. Wenn du dich als Anlegerin für eine aktive Anlagestrategie entscheidest, dann musst du deine Emotionen vollkommen ausschalten und nur anhand deiner ausgewählten Strategie handeln. Leider ist es leichter gesagt als getan. Denn schließlich ist Geld eines der emotionalsten Themen. Und wir alle wissen: Geld verlieren tut eben einfach weh.

Wichtig bei der antizyklischen Anlagestrategie:

  1. Akzeptiere, dass du niemals zum niedrigsten Kurs kaufen und zum höchsten Kurs verkaufen wirst.
  2. Formuliere eine Anlagenstrategie, die zu deinem Risikoprofil, deinem Anlagehorizont und deinen finanziellen Mitteln passt.

Eine ausgetüftelte Anlagestrategie wird dich zwar auch nicht vor Kursschwankungen schützen, verhilft dir aber dabei, konstant zu bleiben und zu handeln.

Was sind die Ursachen für Marktschwankungen?

Börse ist nicht hohe Mathematik, sondern reine Psychologie. Denn Anlegerinnen investieren in eine Erwartung, also in das Versprechen eines Unternehmens. Dieses lautet, dass es in Zukunft mehr Gewinne erwirtschaftet als aktuell. Es geht also um Glauben. Dieser wird befeuert durch Analysten. Auch hier ist häufig ein Herdentrieb erkennbar. Wenn also ein Unternehmen eine gute Prognose veröffentlicht und die Analysten diese Prognose feiern, dann ist der Weg frei für eine Hausse.

Aber Kursschwankungen werden auch durch konjunkturelle Schwankungen ausgelöst. In der Vergangenheit und in der Zukunft hat es immer wieder lange Phasen des Aufschwungs gegeben. Irgendwann sind in Folge von Überkapazitäten, politischen Spannungen, Finanzkrisen, Naturkatastrophen oder wie zuletzt eine Pandemie, Einbrüche die logische Konsequenz.

Ein gutes Beispiel für den Aufbau von Überkapazitäten ist zum Beispiel bei der Chemie-Industrie zu finden. Hier hat die Aktie des Kunststoffherstellers Covestro in 2019 nach einem rasanten Kursanstieg in den Vorjahren deutlich an Wert verloren, weil andere Anbieter Kapazitäten aufgebaut haben. Allerdings haben die anderen Anbieter ebenfalls an Wert verloren. Ein Beispiel für den Einbruch nach einer Finanzkrise und der daraus resultierenden Wirtschaftskrise ist die Finanzkrise 2008. Krisen in Folge von politischen Spannungen sind aus Sicht der Briten zu beobachten. Hier drückt ein unkontrollierter Brexit deutlich auf die Konjunkturentwicklung Großbritanniens für die kommenden Jahre.

Marktschwankungen kommen nicht nur für die Gesamtheit eines Aktienmarktes vor. Nicht selten gibt es Aktien, die in bestimmten konjunkturellen Phasen besonders gut laufen, während gleichzeitig andere Papiere wie Blei im Depot liegen. In diesem Zusammenhang sind Chemieaktien, Maschinenbauaktien oder Konsumaktien zu nennen. Bei einem idealtypischen Konjunkturzyklus starten zunächst die Chemieaktien ihre Rallye.

Hintergrund ist, dass chemische Produkte in vielen weiteren, späteren Produktionsschritten eingesetzt werden. Ähnlich verhält es sich mit dem Maschinenbau: Wenn die produzierenden Unternehmen wieder an einen Aufschwung glauben, werden sie zunächst in neue Maschinen investieren müssen. Läuft die Konjunktur dann wieder richtig rund, entwickeln sich Konsumaktien prächtig, aber die Hausse bei den beiden anderen beispielhaft genannten Aktiengruppen ist dann schon wieder vorbei.

Vor- und Nachteile vom antizyklischen Investieren

Wie bei allen Investitionen ist auch das antizyklische Investment keine Garantie auf eine sichere Geldanlage. Die Gefahr, dass die Kurse noch weiter sinken, ist latent immer gegeben. Allerdings ist beim antizyklischen Investment die Chance auf eine Kurserholung größer. Auch hierzu ein kurzes Beispiel: Wenn du dir den Verlauf des Deutschen Aktienindex (DAX) über die letzten 40 Jahre anschaust, dann hat der DAX Der bedeutendste deutsche Aktienindex, der die Wertentwicklung der 40 größten und liquidesten Unternehmen des deutschen Aktienmarktes repräsentiert. entstandene Verluste immer wieder ausgeglichen.

Anlegerinnen mussten dazu allerdings ausgehend vom niedrigsten Wert in einem Abwärtszyklus in der Regel fünf bis sechs Jahre warten. Dafür sind die Kurse aber im Anschluss deutlich über den letzten Höchststand gestiegen. Wer also antizyklisch investieren will, braucht Zeit, um eventuelle Kursdellen nach unten aussitzen zu können. Grundsätzlich hat sich gutes Sitzfleisch beim Investieren stets bewährt.

Vorteile

  • hohe Renditechancen
  • empfehlenswert bei langem Anlagehorizont

Nachteile

  • Gefahr, dass Kurse weiter sinken
  • teilweise lange Erholungszeiten

Fazit: Wann lohnt sich antizyklisches Handeln?

Wie bei allen Punkten der Geldanlage gilt auch hier: Informier dich! Beschaff dir viele Informationen, aber denke selbst. Denk dran: Investoren wie Warren Buffett treten auf den Plan, wenn alle anderen am Ende sind. Mach also einen großen Bogen um das, was die Masse tut: Konsumenten kaufen Marketing-Strategien, Investoren kaufen Wertpapiere.

Wie bereits geschrieben, brauchst du für antizyklisches Investment eine Strategie. Wenn du einigermaßen krisensicher investieren möchtest, muss diese Strategie vorab definiert werden. Dazu kannst du beispielsweise immer zwei gegenläufige Anlagenklassen in dein Portfolio legen. In der Vergangenheit waren das beispielsweise festverzinsliche Anleihen und Aktien. Ist die eine Klasse gestiegen, ist die andere gefallen (und natürlich auch in umgekehrter Reihenfolge).

Es erfordert viel Geduld, dem Markt bei seiner Talfahrt zuzusehen. Nach einem solchen Rückgang haben die meisten qualitätsvollen Aktien nicht mehr viel Potenzial für weitere Kursverluste. Wenn du wirklich antizyklisch Handeln möchtest, dann kaufst du wenn der Pessimismus seinen Höhepunkt erreicht hat, und verkaufst, wenn der Optimismus auf dem Höhepunkt ist. Sound easy, but it’s hard!

Und nicht vergessen: Psychologie! Die Märkte werden zu einem großen Teil von Psychologie getrieben, kurzfristig sowieso und manchmal auch mittelfristig. Aber langfristig werden die Preise in der Regel von den Realitäten bestimmt. Also gilt auch hier: Wissen ist alles! Mach also deine Hausaufgaben und informier dich gut, was du dir ins Depot legst.